Wir unterzeichen mit den Offenen Brief des IFMGZ Holla e.V.

Wir beziehen uns im Folgenden auf die Kampagne „den Kopf frei haben“ der deutschen Organisation Terre des Femmes (TDF). Ziel der Kampagne ist es, das Kopftuch für muslimische Mädchen* unter 18 Jahren in Deutschland zu verbieten. Hier ist zu beachten, dass TDF, der zum größten Teil weiße und christlich sozialisierte Frauen* angehören, in der Kampagne keineswegs den grundsätzlichen Schutz von Mädchen*/ Jugendlichen vor Einschränkungen durch religiöse Dogmen fordert, sondern sich nur auf das Kopftuch bei Musliminnen* beschränkt!

In diesem Brief geht es nicht um das Vertreten einer Pro-Kopftuch-Position, schon gar nicht bei Kindern. Es geht überhaupt nicht um eine inhaltliche Stellungnahme, sondern:
Wir fordern Diskussionen auf Augenhöhe, respektvolle Begegnungen, und dass FeministInnen* sich nicht gegenseitig entmachten, sondern einander den Rücken stärken.

Für uns bedeutet Feminismus solidarisch zu sein und miteinander anstatt übereinander sprechen. Dazu gehört das gegenseitige Zugestehen der Definitionsmacht und das Anerkennen von Ressourcen.
Diesen Ansatz können wir in der aktuellen Kampagne von TDF nicht finden. Wir unterstellen trotzdem durchaus, dass einige UnterzeichnerInnen* tatsächlich glauben, sie könnten durch diese Aktion zu einer Befreiung von Mädchen* und Frauen* beitragen. Deshalb erklären wir kurz, warum es sich aus unserer Sicht nicht um eine inhaltliche Debatte handeln kann, sondern um einen gefährlichen Ausdruck von Macht, sowie die Entmündigung derjenigen, die in Zeiten zunehmender Bedrohung durch Rechtsextremismus dringend Unterstützung brauchen.

Einige uns bekannte Frauen*, viele davon Musliminnen*, wären gern zu einer Diskussion im Vorfeld eingeladen worden, wenn eine Debatte im gesamtdeutschen Kontext geführt worden wäre, z.B. (selbstverständlich religionsübergreifend) über Sexualisierung und/oder Einschränkungen von Mädchen* durch religiöse Dogmen, und wie Mädchen* geschützt und unterstützt werden können.
Wir hätten uns gewünscht, dass TDF hier den Fokus setzt. So wirkt es auf uns wie eine Scheindebatte auf dem Rücken ohnehin Benachteiligter. TDF scheint für sich die Definitionshoheit zu beanspruchen.

Das Sprechen „über andere“, das Bewerten und Beurteilen von Menschen und das Aberkennen deren Ressourcen, besonders in öffentlichen Kampagnen, empfinden wir als keineswegs unterstützend, sondern im Gegenteil, als kraftraubend und destabilisierend. Die aktuelle antimuslimische Stimmung in Deutschland erschwert das Leben von FeministInnen* und muslimischen Frauen* und Mädchen* allgemein bereits ausreichend. Solidarisierung und Unterstützung sind angemessen und dringend notwendig. Wir sehen hier die einzige Chance für einen zukunftsfähigen Feminismus.

Der Diskurs um das Kopftuch bei Musliminnen* kann zielführend überhaupt nur in sicheren Räumen und von muslimischen Frauen* und Mädchen* selbst geführt werden. Die Musliminnen*, welche die TDF-Kampagne befürworten, könnten selbstverständlich auch Teilnehmende in der Debatte sein, wir fordern aber ebenso eine Auseinandersetzung mit Frauen* und Mädchen*, die sonst in Debatten unsichtbar bleiben.

Die TDF-Kampagne kann aus unserer Sicht nichts Positives bewirken, weil die relevanten Personen ausgeschlossen bleiben und bevormundet werden. Der Weg der Entmündigung hat noch nie und wird niemals zu Freiheit führen!

Hiermit distanzieren wir uns explizit von der TDF-Kampagne. Wir fordern Menschen aus Politik und Medien auf, dies ebenfalls zu tun und muslimische FeminIstinnen* zu stärken und auf eine Stabilisierung ihrer Positionen hinzuwirken. Wir brauchen kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander. Nur so kann und wird sich die Situation in Deutschland befrieden und Inklusion gelingen.“