Hallo!
Hier die lang erwartete Aufnahme und eine PDF der Powerpointpräsentation vom Vortrag Was hat Sex mit Sexismus zu tun? so gehalten am 16.5.2013 im AZ Köln.
Wir haben zu dem Thema auch einen Reader zusammengestellt, den findet ihr hier.

Nachdem wir die Diskussion der Veranstaltung sehr lange reflektiert haben, möchten wir noch folgenden Kommentar machen. Dies ist vor allem interessant und verständlich für Leute, die auf der Veranstaltung waren.

Wir haben uns vor längerer Zeit und wegen etlicher Erfahrung Maßnahmen überlegt, um männliches dominantes Redeverhalten auf unseren Veranstaltungen abwehren zu können. Dazu gehört u.a., keine nonverbalen Kommentare (z.B Augenrollen etc) zu machen, und nicht länger als 1 Minute zu reden. Dies war aus verschiedenen Gründen an dem Abend nicht praktikabel und hat zu Widersprüchen geführt.

Zum einen war dieser Raum ein Frauenraum (im Sinne von dass Frauen die Macht haben), Männer haben kaum eine Rolle gespielt. Dadurch wurden nicht Männer, sondern Frauen mit unseren Strategien abgewehrt, was nicht in unserem Sinne war. Jedoch gibt es auch Herrschaftsverhältnisse unter FrauenLesbenTrans*Intersex.
Es wurde deutlich, dass die Ablehnung von nonverbalen Kommentaren nicht tragbar ist, wenn das, was kommentiert wird, eine hegemoniale Perspektive stärkt. Wenn zum Beispiel etwas sexistisches, rassistisches oder homophobes gesagt wird, möchten wir den Ärger der Betroffenen nicht mit dem Verbot von nonverbalen Kommentaren einschränken. Im Gegenteil sind Kommentare in einem solchen Fall erwünscht und empowernd. Ebenso ist es für die Redezeit wichtig zu sehen, wer was aus welcher Perspektive sagt. Wenn sich eine Lesbe gegen homophobes und/oder heteronormatives Verhalten äußert, möchten wir dem keine 1 minütige Grenze geben. Wenn sich eine Hetera deshalb angegriffen fühlt und in ihrem Wortbeitrag die Heteronormativität der Szene verteidigt, möchten wir schon eine 1 Minuten Grenze setzen und eventuell auch die Augen verdrehen.
Letztendlich ist unser Ziel aber, dass solche Strategien nicht nötig sind, weil alle ihre Positionierung genug reflektieren. Wenn dies aber nicht gegeben ist, wollen wir Betroffenen nicht ihren Ärger verbieten.

Konkret nennen wir hier 2 Situationen, die Heteronormativität reproduzierten:
Einmal wurde z.B. negiert, dass gleichgeschlechtliches Rumknutschen auf Parties sehr viel häufiger zwischen Frauen als zwischen Männern passiert. Dies hat zu Zwischenrufen geführt, u.a. von Frauen der Moderation, was auch vonseiten des Publikums kritisiert wurde (sinngemäß „Ihr haltet euch nicht an eure eigenen Regeln“).
Ein anderer Beitrag bezog sich auf die Kritik einer anderen Diskussionteilnehmerin am von uns so bezeichneten Pseudorumgelesbe1 in linken Räumen, die sich gerne als queer sehen. Diese würden der Teilnehmerin zufolge Lesben noch stärker stigmatisieren als in offensichtlich heterosexuellen Räumen, da sie eine Offenheit suggerierten, die letztendlich gar nicht da sei. Daraufhin sagte eine andere Teilnehmerin sinngemäß und das strukturelle negierend, dass die Ablehnung immer an individuellen Personen erfolge und individuelle Entscheidungen seien, die nichts mit der Sexualität zu tun hätten, und dass vielleicht manche nur mit dem Korb nicht umgehen könnten. Ein Beitrag, den wir als Hetero-Abwehr gegen Heteronormativitätskritik werten.

Eine wichtige Sache, die wir vergessen hatten, war, vor der Diskussion auf Stop-Zeichen-Regeln und Herrschaftsverhältnisse in Diskussionsbeiträgen hinzuweisen, und Abwehrreflexe zu thematisieren, die Hegemonie Träger*innen (weiße, Heteras, Männer…) bei der Kritik an ihrer Position oftmals zu verletzenden Äußerungen verleiten.
Aufgrund dieser und weiterer Beiträge wurde sich vonseiten der Moderation eine Reflektion der eigenen Positionierung gewünscht. Wir merken nun, dass es für die Sprechposition und für Herrschaftsverhältnisse in Diskussionen nicht nur einen Unterschied macht, ob die Personen Männer oder Frauen sind, und als weiß oder Schwarz gelesen werden, sondern auch, ob sie hetero- oder bi- oder pan- oder homosexuell leben.

Unsere Gruppe ist überwiegend hetero mit wenigen Ausnahmen.
Da die Veranstaltung viel in uns angestoßen hat, möchten die Lesben bzw. Bi-Frauen von uns sich gerne zusammensetzen und die Heteronormativität der Szene durchleuchten, und alle Frauen, die dies anspricht, dazu aufrufen, mitzumachen. Schreib einfach eine Mail an das Referat.

Desweiteren fragen wir uns auch im Nachhinein, ob die Diskussion in Großgruppen überhaupt sinnvoll ist, gerade bei einem solchen Thema. Eine Aufteilung in Kleingruppen (z.B. nach Sexualität) wäre für die Themen vielleicht sinnvoller gewesen.

Zuletzt wollten wir noch auf an uns herangetragene Kritik eingehen, die sich darauf bezieht, dass wir während des Vortrags durch das, was und wie wir es sagten, Lacher provoziert hätten, und dass dies nicht solidarisch, da dies keine Gewaltfreie Kommunikation sei. (Wir packen diese Gelegenheit beim Schopfe um euch zu unserem Feministischen Café im Juli einzuladen, wo es um eine Kritik am Konzept der gewaltfreien Kommunikation geht.)
Dazu möchten wir sagen, dass Ironie und Lachen über konkrete Ausdrücke von Herrschaftsverhältnissen eine Empowermentsstrategie von Betroffenen von diesen Herschaftsverhältnissen ist (hier können wir uns auf Paul Mecheril berufen). Wenn Frauen sich über Männer, People of Color über weiße, oder Lesben und Schwule sich über Heten lustig machen, ist dies keine Herrschaft, sondern eben ein Wehren und/oder Aufbegehren gegen die Herrschaft, und der Versuch eines Heilens. Von daher möchten wir gar nicht bestreiten, dass wir Lacher provoziert haben. Diese sind jedoch als Reaktion auf ein Herrschaftsverhältnis zu sehen. Daher sehen wir die Lacher als die Stärkung von marginalisierten Perspektiven. Solidarisch kann eine Kritik dennoch sein – auch wenn sie nicht in buntes Geschenkpapier gewickelt ist.

  1. Wenn heterosexuelle Frauen in einem auch ansonsten heteronormativen Setting miteinander rumknutschen/-machen mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit von Männern zu erregen, und ohne weiteres Interesse an (sexuellen und/oder amourösen) Beziehungen zu Frauen zu haben. [zurück]